Der Standard 01.04.2016

by MakerAdmin

Eine neue Kultur des Selbermachens

ALOIS PUMHÖSEL 1. April 2017, 09:00

Von Holz und Keramik bis zu Robotern und Elektronik: Eine aktuelle „Do it yourself“-Bewegung verbindet erfinderische und handwerkliche Aspekte und sucht nach mehr Autorität über moderne Technik. Ein Besuch in einem Wiener „Maker Space“

Wien – Philip Götz ist heute schon früh da. Der junge Mann baut an seiner fünften Gitarre. Nach mehreren E-Gitarren arbeitet er nun am ersten akustischen Korpus. Ein paar Schritte weiter läuft dröhnend eine CNC-Fräse. Das darin eingespannte Holzstück wird zum Gehäuse einer Holzarmbanduhr. Die Maschine ist selbst eine Besonderheit: Das hochgenaue, wenn auch ein wenig laute Werkzeug wurde hier, in der Gemeinschaftswerkstätte des Vereins Maker Austria im fünften Bezirk in Wien, selbst gebaut.

Arno Aumayr wacht hier über 600 Quadratmeter voll mit Werkbänken, 3-D-Druckern und Elektronikwerkzeugen. Durchschnittlich 30 der insgesamt etwa 250 Mitglieder gehen hier täglich ein und aus, Tendenz steigend. Sie bauen ihre Wohnungsküche um oder malen Ölgemälde. Sie gravieren Initialen in ihr iPad oder filzen Hausschuhe. Aus der Auslage des Maker Space blickt Marvin auf die Schönbrunner Straße. Mehrere Schülerteams arbeiten an einem Roboter, um ihm bessere Hand-Augen-Koordination zu verleihen. Daneben liegt der Helm einer Iron-Man-Rüstung, an der ein perfektionistischer Comic-Fan bereits jahrelang arbeitet.

„Wir machen das Spektrum völlig auf“, sagt Aumayr, der im Strickpullover und an einer E-Zigarette paffend zwischen den Werkzeugbänken steht. Von Elektronik bis Textil, von Möbel bis Beton – alles ist hier vertreten. Wohnungsrenovierer treffen auf Technik-Start-ups, Lötanfänger auf Strickaktivisten. Besonders stolz ist Aumayr auf die Lasercutter, zigtausend Euro teure Geräte, die hochgenaue Schnitte und Gravuren erlauben.

„Hier kommen Leute zusammen, die sonst wenig miteinander zu tun hätten“, sagt der Maker-Space-Gründer. An manchen der Werkstücke ist das auch ablesbar: Die Wand ziert ein Strickgraffiti, eine Art Quilt mit gestrickten Beiträgen aus aller Welt. Das Aufeinandertreffen der Textilkünstlerin mit einem Informatiker resultierte in einer elektronischen Erweiterung, mittels deren die Geschichten hinter den Strickereien per App abrufbar wurden.

Aumayr führte früher eine IT-Firma. Auf der Suche nach besserer Work-Life-Balance besann er sich seines Elektronikbastelhobbys. Inspiration fand er in der Maker-Movement, einer mittlerweile globalen Do-it-yourself-Kultur, die vor zeitgemäßer Technik nicht zurückschreckt und hierarchiefrei erfinderische und handwerkliche Aspekte verbindet.

Autorität über die Technik

„Viele möchten einen persönlichen Bezug zu ihren Möbeln haben. Oder sie wollen technische Produkte wieder besser verstehen“, sagt Aumayr zur Motivation seiner Handwerker. „Immer mehr kommen aus finanziellen Gründen und bauen beispielsweise Palettenmöbel, um Stil und Leistbarkeit zu verbinden.“ Auch ökologische Aspekte wie die Langlebigkeit der Produkte und Widerstand gegen geplante Obsoleszenz sind ein großes Thema. Die Handwerker wollen wieder mehr Autorität, Wissen und Kontrolle über ihre Alltagstechnik erlangen. Das Feld soll nicht vollständig kommerziellen Interessen überlassen werden.

Aumayr glaubt, dass Werkstätten wie seine künftig verstärkt soziale Aufgaben übernehmen. Sie könnten die Jugend davor bewahren, ihr Interesse an Technik und Handwerk zu verlieren. Senioren könnten vor einem unausgefüllten Lebensabend bewahrt werden. Wer TV, Couch und Bier gegen die Hobbywerkbank eintauscht, verbessert die Lebensqualität. Hunderte gemeinschaftliche Kleinwerkstätten in Australien oder Nordeuropa, in denen sich ältere Menschen, Schüler und angehende Start-up-Unternehmer die Klinke in die Hand geben – oder sogar zusammenarbeiten -, haben dem Werkstattgründer gezeigt, dass das Prinzip funktioniert. Er glaubt, dass in Wien jeder Bezirk eine Werkstätte wie seine vertragen könnte – auch wenn es schwierig sei, an Leerstände zu kommen. Doch auch hier in der Schönbrunner Straße gibt es noch genug zu tun: Im Keller sollen die Betondrucker einziehen, die Keramikabteilung wird verlegt. Regelmäßig finden Workshops statt. Mädchen sollen die Scheu vor Technik verlieren, Jugendlichen der 3-D-Druck nähergebracht werden. „3-D-Druck ist einfach, wenn man Modelle aus dem Internet lädt. Schwierig ist es, wenn man selbst 3-D-Modelle plant. Da steigen viele aus“, so Aumayr. Aber nicht alle. „Mir sind Kinder untergekommen, die haben nach einer halben Stunde ihr eigenes Objekt ausgedruckt.“

(Alois Pumhösel, 1.4.2017)

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